Vorbemerkungen
Verbesserung des Hochwasserschutzes
Polder sind unverzichtbar, um den Hochwasserschutz am Rhein wiederherzustellen, der durch diverse Maßnahmen (Kanalisierung des Oberrheins, Staustufenausbau bis Iffezheim) und Bausünden (wie z.B. Industrieansiedlungen im Tiefgestade: Automobilwerk und Raffinerie bei Wörth, Insel Grün bei Germersheim, Deponie Flotzgrün, Raffinerie Speyer) verloren gegangen war.
Dies wird auch durch § 31b VI 2 WHG und Art. 1 Ziffer 4 des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3.5.2005 vorgegeben, wonach "frühere Überschwemmungsgebiete, die als Rückhalteflächen geeignet sind, so weit wie möglich wiederhergestellt werden [sollen], wenn überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht entgegenstehen."
Die nach diesen Vorgaben gebauten/geplanten Polder am Oberrhein sollen einen 200-jährlichen Hochwasserschutz wieder herstellen, wie er vor dem Staustufenausbau geherrscht hatte. Sie sind Teil des Länder übergreifenden Hochwasserschutzkonzepts, in dem Frankreich, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz (nicht aber Hessen) zusammenwirken und in dem sich Rheinland-Pfalz staatsvertraglich zu insgesamt (mindestens) 44 Mio m³ Rückhalteraum verpflichtet hat.
Der Bau eines jeden Polders stellt einen gewaltigen Eingriff am jeweiligen Standort dar, dient aber im Wesentlichen der Sicherheit der Unterlieger ("Oberlieger schützt Unterlieger"). Daher ist eine Begeisterung für den Bau von Rückhalteräumen vor der eigenen Haustür in der Regel nicht zu erwarten, wenn nicht Folgendes ausreichend klar gemacht wird:
- Nur in einem gemeinsamen "Konzert" aller "Mitspieler" kann ein ausreichendes Schutzniveau für Alle erreicht werden.
- Jeder Unterlieger wird in doppelter Weise (gefährdend und schützend) von seinen Oberliegern beeinflusst und muss daher zum Ausgleich für einen Schutz durch seine Oberlieger auch selbst bereit sein, seinerseits einen Schutzbeitrag für seine Unterlieger zu leisten.
Ein als gerecht empfundener Interessenausgleich kommt allerdings nur zu Stande, wenn die Standortauswahl nachvollziehbar begründet, also mit ernsthafter Abwägung der Vorteile und der Nachteile für alle Standorte erfolgt. Hierzu sind die Auswahl-Kriterien und -Maßstäbe klar zu machen und an allen Standorten so gleich wie vernünftigerweise möglich anzuwenden.
Ob diese wichtigen Voraussetzungen am rheinland-pfälzischen Oberrhein tatsächlich erfüllt sind, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Einzelheiten hierzu sind in den folgenden Kapiteln kurz zusammengefasst.
Die Polder-Standorte am nördlichen Oberrhein in Rheinland-Pfalz, beziffert ist jeweils das ungesteuerte + das gesteuerte Retentionsvolumen:
- Daxlander Au (einsatzbereit) = 0 + 5 Mio m³
- Wörth/Jockgrim (im Bau) = 4 + 12 Mio m³
- Hördter Rheinaue (in Planung als selten gefluteter Reserveraum) = 0 + 36 Mio m³
- Mechtersheim (in Vorplanung) = 0 + 6 Mio m³
- Flotzgrün (einsatzbereit) = 0 + 5 Mio m³
- Kollerinsel (einsatzbereit) = 0 + 6 Mio m³
- Waldsee/Altrip/Neuhofen (fertig geplant, gerichtlich angefochten) = 1 + 8 Mio m³
- Worms = 2 + 0 Mio m³
- Bodenheim-Laubenheim = 0 + 7 Mio m³
- Ingelheim = 0 + 4 Mio m³
- = Gesamtvolumen ohne Hördt und ohne Altrip = 51 Mio m³.
= Gesamtvolumen mit Hördt, aber ohne Altrip = 87 Mio m³.
Ein besonderer Kritikpunkt an den Polder-Planungen in Rheinland-Pfalz ist die am 23.3.2007 offiziell verkündete Streichung der Hördter Rheinauen aus dem normalen Polderflutungskonzept, nachdem Hördt noch bis 1995 als regulärer Polder ausgewiesen, dann ganz gestrichen und erst 2005 wieder teilweise und schonend als Reserveraum für Extremhochwasser' einbezogen worden war.
Das bisherige ("normale") und auch Laien einleuchtende Konzept sah eine serielle Flutung aller Polder von Süden nach Norden parallel zu der innerhalb eines Tages zu Tal rauschenden Hochwasserwelle vor. Diese regulären Flutungen werden häufiger als ein Mal in 50 Jahren stattfinden, während die Hördter Rheinauen nach dem neuesten Konzept seltener als ein Mal in 200 Jahren geflutet werden sollen.
Von einem gleichgewichtigen Solidarbeitrag kann daher am Standort Hördt keine Rede sein. Im Gegenteil: Diese Sonderstellung verschont Hördt statistisch gesehen mehrere Jahrhunderte lang und erhöht im gleichen Ausmaß (aber mit umgekehrtem Vorzeichen) die Gefährdung der Unterlieger bei jedem kritischen Hochwasser, weil alle kritischen Hochwasserwellen (unterhalb der Hördt schonenden Extremhochwasserschwelle) ungekappt an Hördt vorbeilaufen werden.
Damit bleibt ein 36 Mio m³-Retentionsraum für Jahrhunderte ungenutzt, obwohl er nach § 31b VI 2 WHG und Art. 1 Ziffer 4 des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3.5.2005 einbezogen werden müsste (siehe ganz oben).